Zuhören ist eine der wichtigsten Aufgaben
Nur mal eine Hand halten: Die Begleitung sterbender Menschen ist eine Herausforderung für das Team des Ettlinger Hospizdienstes.
Ettlingen. Die Mutter von Annette Oechsle-Rosier ist voriges Jahr gestorben. Nicht an, aber während Corona. Die 86-jährige Ettlingerin war schwer herz- und zuckerkrank, ihr Ehemann mit der häuslichen Situation komplett überfordert. Über den Pfarrer der evangelischen Johannesgemeinde, Andreas Heitmann-Kühlewein, erfuhr Annette Oechsle-Rosier vom Team des Ettlinger Hospizes „Arista“, das Menschen in ihrer letzten Lebensphase betreut und begleitet. Sie nahm Kontakt auf und sagt heute: „Das war die Rettung für unsere Familie.“
Für uns alle war das eine kurze, aber sehr intensive Zeit.
Annette Oechsle-Rosier
Angehörige
Nicht nur für sie und ihre Geschwister, sondern vor allem für den Vater. „Er war 66 Jahre mit meiner Mutter verheiratet und hätte es nicht übers Herz gebracht, sie in dieser letzten Phase in ein Heim zu geben“. Die Entscheidung blieb ihm erspart, denn neben Pflegekräften war der ambulante Hospizdienst zur Stelle.
Die Enkel konnten Abschied von der Oma nehmen, die Angehörigen vertrauliche und tröstliche Gespräche mit Hospizhelfern führen, die der Schweigepflicht unterliegen. „Für uns alle war das eine kurze, aber sehr intensive Zeit“, erinnert sich Oechsle-Rosier. Am Schluss sei es bei allem Schmerz eher leicht gewesen, die Mutter gehen zu lassen.
Rund 50 ehrenamtliche Hospizhelfer engagieren sich in der Sterbe- und Trauerbegleitung und damit im Team von Hospizdienstleiterin Petra Baader. Die Hälfte von ihnen ist im stationären „Arista“ im Einsatz, die anderen sind ambulant unterwegs. Sie ergänzen mit ihrem wertvollen, unentgeltlichen Einsatz die Arbeit der Hauptamtlichen.
Baader erzählt davon, dass während des Lockdowns die Nachfrage nach Unterstützung durch Hospizhelfer „deutlich nachgelassen“ habe. Weniger in Heimen und Krankenhäusern als von Privathaushalten. „Wir haben eine große Verunsicherung bei Angehörigen gespürt, jemanden in dieser Zeit ins Haus zu lassen.“ Anfragen für eine Sterbebegleitung seien, als die Corona-Zahlen hoch waren und noch nicht geimpft wurde, sehr spät oder gar nicht gekommen. Inzwischen habe sich die Situation geändert, werde wieder mehr um Unterstützung gebeten. Auch die ersten Trauergruppen und das Trauercafé des Hospizdienstes sind wieder am Start, wenngleich noch nicht im Umfang wie vor der Pandemie.
Eine, die während Corona keine Pause hatte, ist Hospizhelferin Renate Meisinger. Seit März betreut sie eine Frau im Heim in Bruchhausen, schon seit Herbst 2020 einen Mann in seinem häuslichen Umfeld. Einmal wöchentlich schaut sie bei dem Mitte-80-Jährigen vorbei, der inzwischen zusätzlich vom Palliative Care Team des „Arista“ umsorgt wird.
„Unsere Gespräche drehen sich oft um sein früheres Leben. Daraus erzählt er mir viel“, sagt Meisinger, die weiß, dass Zuhören eine der wichtigsten Aufgaben für Hospizhelfer ist. Den meisten Schwerkranken falle es zunächst schwer, sich in ihrer Situation einem Fremden zu öffnen. Bis eine Vertrauensbasis geschaffen sei, könne es dauern. Und je nach Krankheitsverlauf bleibe dazu nicht mehr die Zeit. Auf ihren Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen werden die Ehrenamtlichen intensiv vorbereitet, und zwar in einem Grund-, Aufbau- und Abschlussseminar. Hinzu kommt ein einwöchiger Praxiseinsatz in einer stationären Pflegeeinrichtung oder im Hospiz von mindestens 35 Stunden.
Heribert Kampschröer, der beim Hospizdienst Ettlingen die Trauerbegleitung leitet und koordiniert, berichtet davon, dass während Corona die Seminare zum Teil nur online stattfinden konnten, man jetzt aber auf „baldige Rückkehr zur Präsenz“ hoffe. Das Grundseminar werde häufig auch von Menschen gebucht, die sich einfach „persönlich mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer auseinandersetzen wollen“. Eine Verpflichtung, danach weiterzumachen, gebe es nicht.
Gerne weitermachen als ehrenamtliche Hospizhelferin würde Adelgunde Kühn, deren letzte Patientenbegleitung im Dezember 2020 war. Solange sie weder in einem Heim noch bei einem Schwerkranken zuhause gebraucht werde, arbeite sie beim Hospizdienst an der Gestaltung eines neuen Trauerbuchs mit, außerdem in der Anlaufstelle „Die Zeder“ auf dem Ettlinger Friedhof. Dort gibt es nach monatelanger Corona-Zwangspause wieder jeden Freitagnachmittag (15 bis 18 Uhr) Beratung und Hilfe für Menschen, die sich mit dem eigenen Lebensende befassen oder um jemanden trauern.
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